"Druckereien, die sich spezialisieren, werden profitabel"

Unser Kollege Joachim Glowalla hat gemeinsam mit Gerhard Märtterer ein Interview in Druck & Medien gegeben. Was sie Druckereien raten und wie sie die Zukunft des Druckmarkts einschätzen lesen Sie hier.

 

Herr Märtterer, Herr Glowalla, Sie haben beide früh auf den Digitaldruck gesetzt. Wo sehen Sie den Druckmarkt und speziell den Digitaldruckmarkt heute? 
Gerhard Märtterer: Als wir AlphaPicture auf den Markt brachten, hatten die Top-Digitaldruckmaschinen bereits eine Farbbrillanz und Auflösung erreicht, die dem Offset ebenbürtig war. Aber sie produzierten viel zu langsam und zu teuer. 
Joachim Glowalla: Entsprechend gering war der Marktanteil des Digitaldrucks anfangs. Doch schon 2016 überholte der Digitaldruck die Umsätze des Tiefdrucks. Das lag unter anderem daran, dass der aufkommende High-Speed- Inkjet immer schneller und günstiger drucken konnte. 
Märtterer: Aber die Druckqualität des High-Speed-Inkjets war anfangs unter aller Kanone.

Ab wann hat sich das dann geändert? 
Glowalla: Erst 2017 kam eine neue Generation von Inkjetköpfen auf den Markt, die High Quality auch bei High Speed ermöglichte. Seitdem erobert der Digitaldruck auch die höheren Auflagen. Bei Verkaufskatalogen hat er bereits 25 Prozent Marktanteil. Zwar nicht bei der bedruckten Fläche, aber beim Umsatz. Denn der Digitaldruck erzielt höhere Erlöse pro Seite. 
Märtterer: Generell gilt, Offset und Tiefdruck gehen zurück, Digitaldruck wächst. Aber eines bleibt konstant: Die Umsätze der deutschen Druckindustrie verharren seit Jahren auf einem stabilen Sockel von über 20 Milliarden Euro. Im Jahr 2008 erarbeiten 172.000 Leute in 10.700 Betrieben diesen Sockel. Zehn Jahre später schafften das 127.000 Leute in 7.700 Betrieben. Das sind weit über 30 Prozent Produktivitätssteigerung. Eigentlich müsste die Druckindustrie hohe Profite einfahren. Aber sie tut es nicht. Stattdessen machen die Drucker gerade einen Prozess durch, den die Papierfabrikanten schon hinter sich haben.

Sie meinen, die Drucker könnten eines Tages die Preise anheben, wie es die Papierhersteller auch zum Teil tun? 
Märtterer: Warum nicht?! Jahrelang hatten die Papierhersteller ein Überangebot auf den Markt geworfen. Mit Preisdumping versuchten sie, sich gegenseitig auszustechen. So entstand ein klassischer Käufermarkt. Die Druckereien diktierten den Papierfabrikanten die Preise. Doch das ging nicht ewig so. 
Glowalla: Man kann nämlich Papiermaschinen umrüsten und damit auch Hygienepapiere produzieren. Man kann darüber hinaus alte unproduktive Maschinen ausmustern und sogar ganze Fabriken stilllegen.

Was bedeutet das für die Preisentwicklung? 
Märtterer: Sobald sich Angebot und Nachfrage die Waage halten, bleiben die Preise stabil. Wenn dann in der Hochsaison die Nachfrage anzieht, kann man problemlos die Preise anheben, ohne befürchten zu müssen, dass die Abnehmer zu einem billigeren Anbieter wechseln – denn die sind in der Hochsaison ebenfalls ausverkauft. In der Weihnachtssaison 2017 war plötzlich nicht mehr der Papierpreis entscheidend, sondern die Lieferfähigkeit. 
Glowalla: Vor der Coronakrise hat dieser Prozess der Kapazitätsanpassung in der Papierindustrie gut funktioniert. Den aktuellen Absatzrückgängen von 20 Prozent begegnet die Papierindustrie mit weiteren Stilllegungen von Produktionskapazitäten, um so dem aktuellen Preisverfall zu begegnen. Trotz dieses erheblichen Mengenrückgangs kündigen die Papierhersteller Preiserhöhungen an.

Das kann man aber kaum auf 7.700 Druckereien übertragen. 
Glowalla: Das stimmt. In der Druckbranche wird die Schlankheitskur noch viel heftiger ausfallen. Denn mit Dumpingpreisen kann keiner überleben. Die Masse der Drucker produziert Commodities wie Flyer, Prospekte, Magazine und Kataloge. Bei diesen Allerweltsprodukten haben nur noch solche Betriebe eine Chance, die ihre Prozesse nach großindustriellen Maßstäben optimieren, so dass ihnen trotz niedrigster Preise noch eine auskömmliche Marge bleibt. Nur so können sie einen dauernden Optimierungsprozess durchhalten und ständig in effektivere Maschinen und Workflows investieren. Die Onlinedrucker machen vor, wie’s gehen muss. Wem das nicht gelingt, der wird nach dem Aufbrauchen seiner letzten Reserven aus dem Hamsterrad der Commodities hinausgeschleudert. 
Märtterer: Von den Papierfabriken lernen heißt auch neue Wege gehen. Zum Beispiel die Commodities der grafischen Papiere hinter sich lassen und lukrativere Segmente wie zum Beispiel Hygienepapiere erobern. Vergleichbares propagiere ich den Druckern, wenn ich sage: “Steigt ins Programmatic Printing ein! Holt euch einen Teil der Budgets zurück, die ins Silicon Valley gewandert sind! So kommt ihr aus dem Hamsterrad des Commodity-Druckens raus.”

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